Berlin – Stettin 1984 auf dem Wasserweg
Wir – drei Männer aus Berlin – hatten bereits vor mehreren Jahren, nämlich 1981, beschlossen, auf dem Wasserweg nach Polen, insbesondere nach Stettin, zu reisen.
Die Probleme traten schon bei den ersten Gesprächen mit den polnischen Behörenden auf. „Natürlich können Sie ein Visum erhalten“ wurde uns geantwortet aber „um auf dem Seeweg nach Polen einzureisen benötigen Sie die Einladung eines polnischen Segelclubs“. Da wir in Berlin Mitglieder eines Segelclubs sind, müsste es möglich sein, sich eine Einladung zu verschaffen. Zu diesem Zweck hatten wir einen Brief in deutsch und englisch entworfen und diesen dann an ca. 25 bis 30 verschiedene Orte entlang der polnischen Ostseeküste mit „An den Segelclub in . . .“ versandt. Drei Briefe kamen mit dem Vermerk der Unzustellbarkeit zurück. Die versehentlich angegebenen Ortnamen in der deutschen Version wurden nicht anerkannt. Diese Briefe wurden noch einmal versandt, nun jedoch mit der gültigen polnischen Ortsbezeichnung.
Jetzt warteten wir auf die Antworten und auf unsere „Einladung“. Nichts geschah, nicht eine einzige Reaktion, keine Einladung. 30 Briefe blieben unbeantwortet. Auch ein späterer Versuch in der gleichen Art -nun aber über den polnischen Seglerverband- brachte das gleiche negative Ergebnis.
Keine Einladung – kein Visum. Unser Plan war gescheitert.
Doch etwa 1 Jahr später sah ich auf der Berliner Tourismusbörse eine großen polischen Stand, hier wurden Touristen für Polen geworben. Ein hoher polnischer Beamter, der einen Sitz in Ost-Berlin und in Warschau hatte, wollte alles regeln. Ich solle ihm nur unser Problem schreiben, er würde es dann in die richtigen Wege leiten. Inzwischen gab es in Polen Lebensmittelkarten, unser Interesse war gar nicht mehr so stark. „Ich werde dafür sorgen, dass Sie alles erhalten, ausreichend Lebensmittelkarten, jederzeit Diesel für den Motor, frisches Wasser und alles andere, was Sie für den Lebensunterhalt benötigen“. Mit dieser Auskunft versehen, habe ich dann noch einmal nach Warschau geschrieben, eben an den uns bekannten Tourismus-Chef. Ich habe nie eine Antwort bekommen.
Nach weiteren Jahren hatten wir erneut versucht, den alten Plan aufzugreifen. Die Einreisemöglichkeiten sind leichter geworden, ein Visum zu erhalten soll 1984 wieder möglich sein. Die hiesigen polnischen Behörden verlangten jedoch, dass wir uns im voraus für einen bestimmten polnischen Hafen und einen vorher genau festgelegten Tag entscheiden. Das aber ist für Segler, die vom Wind und Wetter hinsichtlich Route und Zeit abhängig sind, nahezu unmöglich.
Die Behörden waren einsichtig. Nach einem Antragsverfahren bekamen wir unsere Visa. Diese berechtigten uns innerhalb unserer Reisezeit einen uns genehmen Hafen anzulaufen. Jedoch mussten wir uns bereits in Berlin auf die Anzahl der Hafentage fest legen. Wir hatten uns für drei Häfen entschieden. Hierfür sollten wir pro Person und Tag DM 30,– im voraus bezahlen. Harald Grabsdorf jedoch war besser informiert. Er war bereits auf normalen Weg in Polen, hatte dort u. a. gezeltet und nur eine Tagesgebühr von DM 13,– bezahlen müssen. Er wusste auch, dass dieses auch für Wassersportler gelte. Das hatte die hiesige polnische Behörde dann auch bestätigt.
Für unsere eingezahlten Beträge erhielten wir nicht, wie eigentlich zu erwarten, Slotys, sondern lediglich DM-Gutscheine, die dannin Polen ausgezahlt würden.
Der direkte Wasserweg Berlin-Stettin über die Havel und Oder ist uns Berlinern verschlossen. Der andere Wasserweg Henningsdorf – Lehnitz – Oranienburger Kanal – Oder Havel Kanal – Schiffshebewerk Niederfinow – Oder ist uns versperrt. Verhandlungen mit polnischen Behörden, diesen Weg für uns Berliner zu ermöglichen, sind schon vor Jahren nicht zum Abschluss gekommen. Für Berliner gelten die gesetzlichen Grundlagen nach dem Vier-Mächte-Abkommen von 1971.
- Im Viermächte-Abkommen vom 3. September 1971 und dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik und der DDR vom 17. Dezember 1971 sind die gesetzlichen Grundlagen für Überführungen von Segel- und Motorbooten von oder nach Berlin über Havel und Elbe geregelt. Im Transitverkehr von zivilen Personen ist im Artikel 13 festgehalten, Sportboote dürfen nur als Decksladung oder im Schlepp befördert werden.
Alle Lastschiffe, die von Berlin nach Hamburg oder Lübeck fahren nehmen gegen eine Gebühr von etwa DM 300,– Sportboote im Schlepp mit. An der Zollstelle Kladow kann man sich „per Anhalter“ einen Schlepper suchen. Wir brauchten nicht zu suchen, wir hatten mit Herrn Mischke, Kapitän der „Heimatland“, ein Treff für Samstag, 7. Juli 1984, früh 07.00 Uhr in Kladow verabredet. Dieter und ich (Die Besatzung eines Sportbootes im Schlepp muss nach den Bestimmungen aus zwei Personen bestehen (mehr als zwei Personen ist nicht zulässig, beide Personen müssen gültige Reisepässe haben. Die Pässe der beiden muss der Kapitän der „Heimatland“ verwalten. Während der gesamten Überführung gelten wir als Mitglieder der offiziellen Schiffsmannschaft und werden in die Personalbesetzungsliste der „Heimatland“ eingetragen) sind mit dem „Himmelsbesen“ pünktlich. Nach nur wenigen Minuten kommt die „Heimatland“, voll beladen mit Sportbooten und weiteren fünf Booten im Schlepp. Wir sind das sechste Schiff.
Wir werden angewiesen auf der Steuerbordseite unsere Schleppleine unserem Vormann zu übergeben. In Zweierreihen hängen wir an der „Heimatland“. Bereits nach wenigen Minuten setzt sich unser Schleppzug in Bewegung. Dieter sorgt vorn dafür dass sich unsere 60 Meter lange Schwimm-Schleppleine langsam strafft, ich gebe ihm am Ruder des noch langsam mitlaufenden Motors die notwendige Unterstützung. Beim Anfahren muss unbedingt eine ruckartige, plötzliche Bewegung vermieden werden. Schon nach wenigen Minuten wird der Motor ausgeschaltet. Unser Schleppzug gleitet dahin.
Die Grenztonnen, direkt hinter Brüningslinden auf der Steuerbordseite und die auf der Backbordseite hinter uns liegenden Pfaueninsel werden passiert. Wir fahren in Richtung Sakrow – Potsdam, auf der linken Seite ist Nikolskoe, auf der rechten Seite sehen wir die Heilandskirche auf Sakrow. Sie soll in diesem Jahr mit Mitteln der evangelischen Kirche (Spendengelder aus dem Westen) restauriert werden. Wir fahren natürlich nur auf der zur DDR gehörenden Seite der Havel; die Grenze liegt hier in der Mitte des Fahrwassers.
Sakrow ist zum Süden total abgeschirmt. Eine um die Halbinsel laufende hohe Mauer, zwischendurch gespickt mit Wachtürmen verhindert für die Bewohner die Flucht zum Westen und die Sicht dort hin. Margots inzwischen verstorbener Onkel hatte dort seine „Datscha“, ein kleines an das Wasser angrenzende Grundstück mit einer Laube auf der Nordseite der Halbinsel. Die Bewohner eines Wasser-Grundstücks auf der Südseite, also gen Westen, hatten die Mauer vor der Nase.
Langsam, mit einer Geschwindigkeit von ca. 10 km/h fahren wir an Sakrow vorbei, in den zur DDR gehörenden „Jungfernsee“. Hier fand 1891 die allererste Segel-Regatta des Potsdamer Yacht Clubs, damals noch „Seglerverein der Unterhavel“, statt. Unser Kurs richtet sich in Richtung Nedlitz, hinter uns die „Brücke der Einheit“, heute wieder „Glienicker Brücke“, links neben uns der „Cecilienhof“, Tagungsort der „Potsdamer Konferenz“ von 1945.
Nur noch wenige Meter bis Nedlitz, der offiziellen Grenzkontrollstelle für die Berufsschifffahrt. Umfangeiche Pfahlanlagen zeigen unserem Skipper den Weg. Die „Heimatland“ reduziert die Geschwindigkeit. Herr Mischke gibt uns zu verstehen, unsere Motoren anzuwerfen, die Schleppleinen einzuholen und neben dem Schlepper längsseits zu gehen. Die „Heimatland“ muss an einer ihr zugewiesenen Stellen an den Pfählen festmachen.
Herr Mischke sammelt unsere Ausweise ein. „Die kriegt Ihr erst wieder, wenn wir die DDR verlassen haben“. Zunächst müssen wir warten. Wir nutzen die Zeit zur Bereitung eines Zweifrühstücks. In der Kajüte duftet es nach frischem Kaffee und gebratenen Eiern. Wir ziehen uns zurück und genießen in aller Ruhe diese Frühstückspause, obwohl, wir sind seit Kladow noch nicht einmal eine halbe Stunde unterwegs gewesen. Nach etwa 20 Minuten werden wir gebeten an Deck unseres Segelbootes zu kommen. Auf der „Heimatland“ waren inzwischen mehrere Grenzbeamte. Unsere Ausweisbilder werden mit uns verglichen. „Wieviele Personen sind Sie an Bord“? werden wir gefragt. Eigentlich verstehen wir die Frage nicht. Denn zwei Personen müssen die Überführungen zusammen machen und mehr als zwei Personen dürfen es nicht sein. Uns wundert es, dass der Grenzbeamte nicht zu uns an Bord gekommen ist.
In wenigen Minuten sind wir und auch die anderen Sportskipper abgefertigt. Kurz danach werden die Polizisten von ihrem „Wassertaxi“, wie sie es nannten, abgeholt. Wir können wieder weiter fahren. Motor an, ablegen von der „Heimatland“ und kreisen bis unser Schlepper wieder Fahrt auf nimmt. Zunächst werden von Herrn Mischke die Leinen der ersten beiden unseres Konvois backbord und steuerbord übergeben. Diese lassen sich dann langsam zurückfallen bis ihre Leinen straff sind. Dann übernehmen die der zweiten Reihe die Leinen. Wir müssen warten bis auch diese im Schlepp hängen, dann übergeben wir unsere Leinen und lassen uns zurückfallen, fahren unter Motorkraft mit, nach und nach strafft sich unsere Leine. Der Schlepp läuft. Mischke, ständig nach achtern beobachtend, kann nun seine Fahrt aufnehmen. Unser Motor ist aus. Ruhe kehrt wieder ein auf unserem „Himmelsbesen“(„Himmelsbesen“ ist das Segelboot des Autors, eine DUETTA 86, 1983 gebaut von der Werft Dehler)
Ein Grund, endlich unser erstes kühles Bier an Bord zu trinken. „Haste bemerkt“ fragt Dieter nach dem ersten Schluck, „von allen haben wir das beste Manöver gefahren“.
Uns steht ein langer Tag bevor. Obwohl es erst 09.00 Uhr ist wird es warm, ein heißer Sonnentag erwartet uns. Das Tagesziel, so hatte uns Herr Mischke in Nedlitz mitgeteilt, sei Havelberg. Aber zunächst nach Brandenburg. Dort erwartet uns die erste Schleuse. Von Nedlitz bis nach Brandenburg sind es etwa 20 sm (38 km), für diese Strecke werden wir etwa 3 Stunden benötigen.
Wir biegen nach Backbord in den etwa 10 Kilometer langen Sakrow-Paretz-Kanal, passieren den Fahrländer See und queren den Schlanitzsee. Kurz danach unterfahren wir eine Autobahn, den Berliner Ring. Dieser kanalisierte Teil der Havel ist schmal, überall an den Ufern stehen Angler, sie winken uns zu, wünschen uns eine gute Reise und denken sicher mit Wehmut daran, dass wir in den Westen fahren – sie dürfen es nicht.
Die Havel, von der mecklenburgischen Seenplatte bis zur Elbe bei Havelberg, ist bei einer Gesamtlänge von 337 km der fischreichste Fluss der DDR und hat auf seiner gesamten Länge nur ein Gefälle von 39 Metern.
Paretz, am Paretz-Niederneuendorfer-Kanal, kommt in Sicht. Das Schloss, einst Lieblingsaufenthalt Friedrich-Wilhelm III und der Königin Luise, können wir allerdings nicht sehen. Fontane liebte diesen historischen Ort besonders, er widmete Paretz in seinen „Wanderungen“ ein breit angelegtes Kapitel.
Brandenburg kommt zur Mittagszeit in Sicht. Der Dom ist schon von weitem zu sehen. Kurz vor der Schleuse werden wir langsamer, Herr Mischke deutet an die Motoren anzuwerfen (Zu den Hinweisen für die Schleppfahrt gehört: Für den Schlepp ist eine mindestens 50 m lange Schleppleine erforderlich. Bei der Schleppfahrt muss Wahrschau auf das Fahrverhalten des Berufsschiffs gehalten werden. Da auf den Transitwegen teilweise starker Verkehr herrscht oder Geschwindigkeitsbeschränkungen vorkommen können und das Schleppfahrzeug plötzlich mit der Fahrt zurückgehen muss, ist ständige Beobachtung des Schleppers erforderlich. In solchen Momenten ist das Schlepptau einzuziehen. Unter Umständen muss sogar der Motor des Sportfahrzeuges angeworfen werden, damit geringe Eigenmanöver gefahren werden können. Das Abwerfen der Schleppleine kann immer nur auf Anweisung des Schiffsführers geschehen. Die Leine wird immer nur vom Schleppschiff abgeworfen und niemals vom Sportfahrzeug)., unsere Schleppleinen einzuholen und zu warten bis der Schleusenwärter die Einfahrt in die Schleuse frei gibt. Da starker Betrieb herrscht, legen wir kurzfristig am Ufer an und vertreten uns an Land die Beine. Dann geht es in die Schleuse, hier geht es mit uns etwa 1,70 Meter abwärts.
Nach dem Schleusen wirft der Schlepper als erster die Motoren an, wir müssen zunächst unseren „Himmelsbesen“ mit der Leine an der Kaimauer halten und warten bis die „Heimatland“ aus der Schleuse gefahren ist, damit wir nicht in den Sog dessen Motors gelangen. Danach hängt sich jeder von sechsen in der alten Reihenfolge wieder an.
Nun kommen wir durch Brandenburg. Auf der Backbordseite 11 hässliche, riesige, rauchende Schornsteine der dortigen Stahlwerke, auf den Brücken über uns der Straßenbahn- und Autoverkehr.
Etwa um 13.00 Uhr haben wir Brandenburg verlassen. Während der Fahrt durch den mehrere Kilometer langen und breiten Breitlingssee und Plauer See haben wir gegessen.
Am Ende des Plauer See gibt es zwei Möglichkeiten weiter zu fahren. Entweder in Richtung Westen durch den Elbe-Havel-Kanal oder den kürzeren Weg weiter nach Norden auf der Havel. Die Havel hatte ausreichend Wasser, den Umweg brauchten wir nicht zu fahren. Deshalb lassen wir Plaue backbord liegen, unser Schleppzug richtet seinen Kurs gen Norden zunächst nach Pritzerbe. Vom Plauer See fließt die Havel in mal mehr nördlicher, mal mehr westlicher Richtung durch den Pritzerber See und die Städte Premnitz und Rathenow in Richtung Havelberg. Bis zur Grenze Sachsen-Anhalts gehört hier der Flusslauf zum Naturpark Westhavelland, dem größten Naturpark im Land Brandenburg, der sich vom Beetzsee über den Rhin erstreckt, im Süden mehr von sandigen Hügeln (‚Ländchen‘), im Norden mehr von feuchten Niederungen (‚Luchen‘) geprägt. In dem landschaftlich wunderschönen Teil dieser kurvenreichen Havel begleiten und begegnen uns immer wieder unsere dortigen Landsleute. Auch hier ständiges Winken und Grüßen. Ein Schleppzug mit vielen Berliner Booten kommt uns entgegen. Die Skipper kommen vom Urlaubstörn von der Ostsee zurück. „Hoffentlich habt Ihr besseres Wetter“ rufen sie uns zu. Tatsächlich, in den vergangenen Wochen hatten wir noch keinen Sommer. Es kann eigentlich nur besser werden – so wie heute.
Gegen 15.00 Uhr nähern wir uns der Schleuse Warnitz. Hier wieder die nun ständig geübten Manöver: Motor an, zunächst Leerlauf, Leine einholen, unter Motor hinter der „Heimatland“ in die Schleuse einlaufen, abschleusen, hier um ca. 50 cm, abwarten bis unser Schlepper der Schleuse verlassen hat und dann hinterher und alle nach und nach sich an den Schlepper anhängen und Motor aus. Wir schleichen dann wieder durch die Havel-Landschaft, genießen die Sonne und hören nur das an der Bordwand plätschernde Wasser. Auf der Backbordseite ein verfallener Schornstein, oben ein Storch mit seinen Jungen, ein für uns Großstädter seltener Anblick.
Pritzerbe hatten wir passiert, Rathenow kommt in Sicht. Wir werden in der alten Schleuse abgeschleust. Bisher haben wir für die einzelnen Schleusungen immer zwischen 20 und 45 Minuten benötigt, je nach Fülle und Wartezeit. Abschleusen um 1,40 m.
Um 17.30 Uhr Weiterfahrt Richtung Havelberg, zunächst jedoch kommt die Schleuse Grütz, die wir um etwa 18.45 Uhr erreicht haben, um uns ca. 50 cm abschleusen zu lassen. Herr Mischke erklärt uns wir werden bald Anker werfen und dann dort übernachten. Unser eigentliches Tagesziel, Havelberg, werden wir nicht erreichen.
Kurz vor 20.00 Uhr geht die Heimatland vor Anker. Westschiffe dürfen nicht irgendwo übernachten – auch hierfür gibt es exakt vorgeschriebene, gekennzeichnete „nur für Schiffe der BRD“ Ankerplätze.
- Nach den Bestimmungen der DDR-Behörden dürfen westberliner- und westdeutsche Frachtschiffe nur in der Zeit von einer halben Stunde vor Sonnenaufgang und bis zu einer halben Stunde nach Sonnenuntergang fahren. Zur Übernachtung der Westfahrzeuge sind auf den Transit-Wasserstrassen festgelegte Übernachtungsstellen eingerichtet.
Mischke weist uns an, ab abzuwarten bis die „Heimatland“ den Anker ausgebracht hat. Dann sollen wir gegen den Strom neben unserem Schlepper, steuerbord drei und backbord drei, längsseits gehen. Die Havel hat heute eine Strömung von etwa 1 kn (knapp 2 km), wie wir nach dem Festmachen an unserem Log ablesen konnten.
Wie die Küken hocken wir nun bei abendlicher Stille neben unserer „Klucke“. Nach unserem Abendessen (Auch für die Ausrüstung der Sportfahrzeuge gibt es Bestimmungen. Hiernach ist für die Fahrt durch die DDR das Sportfahrzeug mit Wasser und Lebensmitteln für mindestens eine Woche auszurüsten. Einkaufsmöglichkeiten gibt es nur an den von den DDR-Behörden vorgeschriebenen „Landgangstellen“. Die Mehrzahl der westberliner- und westdeutschen Berufsschiffer lehnen das Anfahren dieser Landgangstellen ab). gehen wir einer herrlich zu erwartenden Nacht entgegen. Wir wissen: pünktlich um sechs am nächsten Morgen werden wir wieder ablegen.
Während der Nacht, in einer Entfernung von etwa 150 Metern legt sich ein Wachboot der Volkspolizei vor Anker. Erst später erfahren wir, die Polizei hat nicht uns beobachten wollen. Ihre Aufgabe war es zu verhindern, dass die eigenen Landsleute evtl. zu unserer Gruppe an Bord geschwommen kommen.
Gute 11 Stunden sind wir heute im Schlepp gewesen, ganze 50 sm hatten wir seit Kladow zurückgelehnt. Es war das erste Mal, dass ich in der „Zone“ übernachtete. Bei sternenklaren Himmel quakten neben uns einige Frösche.
Pünktlich um 5.50 Uhr klingelt unser Wecker. 8. Juli 1984, Sonntag früh. Die Volkspolizei hatte ihren Ankerplatz bereits verlassen. Der Kuckuck ruft und die Morgennebel steigen, über uns einige Raubvögel. Aber dafür wir haben keine Zeit, zunächst einmal den Motor anwerfen, damit er sich warm laufen kann. Noch im Schlafanzug bereiten wir auf die Schnelle einen Kaffe, für Dieter jedoch einen Tee. Und schon geht die Unruhe los. Um 06.15 Uhr legen wir ab. Wir kreisen, warten bis unser Schlepper die Anker gelichtet hat und Fahrt aufnimmt, hängen uns an -immer noch im Schlafanzug- und setzen unsere Fahrt in Richtung Havelberg fort. Unser heutiges Ziel soll Lauenburg, etwa gegen 20 / 21.00 Uhr sein.
Alles läuft trotz der kurzen Nacht wieder wie geplant. Jetzt haben wir Zeit -einer nach dem anderen- für die Morgentoilette und für die Vorbreitung unseres Frühstücks.
Die nächste Schleuse naht: Garz, dort etwa um 07.15 Uhr Abschleusen ca. 80 cm.
Dann Weiterfahrt nach Havelberg. Havelberg kommt in Sicht. Rechts und links erscheinen Häuser, Straßen und frühe Sonntagsausflügler. Das Kloster mit seiner mehr als tausendjährigen Geschichte sehen wir nur kurz. Schon ist die Schleuse da, „Schleppzug-Schleuse-Havelberg“. Hier geht es mit uns zum ersten Mal aufwärts, 1,20 Meter. 20 Minuten später, 09.15 Uhr, ist die Havel zu Ende, die Havel fließt in die Elbe.
Eintragung in unser Logbuch:
09.15 Uhr „Himmelsbesen“ zum ersten Mal auf der Elbe.
Ein Blick auf die Karte zeigt uns, jetzt geht es immer Nord-West. Die „Heimatland“ dreht auf. Bisher mussten auf der Havel die vielen Geschwindigkeitsbegrenzungen eingehalten werden., Jetzt fährt Mischke auf der breiten, sich dahin schlängelnden Elbe mit 7 bis 8 Knoten. Die Rumpfgeschwindigkeit unseres Schiffes wird überschritten. „Geht das gut?“ überlegen wir, hält der Hahnepott, hält die Schleppleine, halten die Klampen? Aber wir haben und bekommen auch keine Probleme. Vor jeder neuen Kurve der Elbe sind Sandbänke. Herr Mischke fährt sie stets großräumig aus, damit der lange Anhang reichlich Raum zum mitsteuern hat. Dieser Teil unserer Überführung ist nicht so interessant, die Entfernungen zum rechten und zum linken Ufer sind relativ groß. Wir kommen durch keine Dörfer, durch keine Städte. Auch die Ufer sind leer, sind Angler, keine Wassersportler. Das einzige was wir abwechselnd mal steuerbord mal backbord zu sehen bekommen sind die Kilometersteine. Bei Stromkilometer 524 sind wir auf die Elbe gefahren.
Auf unserer Strecke der Havel haben wir bis zur Einfahrt auf die Elbe sechs Schleusen passiert. Brandenburg, Banitz, Rathenow, Grütz, Gartz und Havelberg.
Jetzt fahren wir schon zwei Stunden auf der Elbe und sind bei Kilometerstein 454. Es ist Zeit mal unser Log zu überprüfen. Die Geschwindigkeit des Stromes schätzen wir auf 2 kn. Unsere Messungen am Gerät, den Strom-Kilometersteinen und der Uhr ergeben, unser kurz vor der Überführung eingebautes Log zeigt richtig an.
Wittenberg; Wir durchqueren die Stadt, unterfahren zwei Brücken, die Elbe auch hier kurvenreich. Von der historischen Stadt sehen wir fast gar nichts. Die großen Hafenanlagen deuten jedoch auf einen größeren Umschlagplatz hin.
Und immer, immer weiter. Es wird 12.30 Uhr. Von vorn erhalten wir die Anweisung, die Motoren anzuwerfen, jedoch die Leinen noch nicht einzuholen sondern nur „kurzstag“ zu nehmen. „Was meint der Alte blos?“ fragen wir uns. Plötzlich kommt von der Heimatland ein Horn-Signal „Lang – kurz – kurz“. Aha, „Wende über Backbord“. Unser Schlepper dreht auf der Stelle hart nach links, nimmt die Fahrt zurück, fährt nun gegen den Strom, wird noch langsamer, stoppt und lässt den Anker fallen. Wir gehen längsseits. Auf unsere Frage beantwortet Mischke. „Hier ist Cumlosen, hier ist die Grenze“. Wir liegen neben ihm, stromaufwärts gerichtet mitten in der Elbe und lesen am Ufer am Stromkilometerstein „469“.
Herrn Mischke fragt uns, ob wir denn so etwas noch nie gemacht haben. Wir haben nicht. Wir fahren doch zum ersten Mal im Schlepp durch die DDR. Unser kurz vor dem unerwarteten „lang – kurz – kurz“ angefangenes Mittagessen haben wir nun während der Wartezeit fortgesetzt. Mit ihrem Wassertaxi erscheinen die Grenzpolizisten, auch hier wieder nur kurze Kontrolle der Bildern mit unseren Visagen, wieder kein Besuch auf unseren Sportbooten. Kontrolle beendet.
Während der Pause, längsseits liegend, stellen wir anhand des Logs fest, der Strom läuft tatsächlich mit 2 kn. Jetzt haben wir die Richtigkeit unserer Logmessung.
Der Aufenthalt dauert kaum mehr als 20 Minuten. Unser Skipper weist uns an, die Leinen langsam auslaufen zu lassen, durch den Strom fallen wir zurück, wieder auf die volle Länge des Schleppzuges von ca. 200 Metern. Die „Heimatland“ lichtet den Anker, dreht in sehr großen Bogen nach Backbord auf unsere alten Kurs strom-abwärts.
Wir verlassen die „Zone“.
Nun geht es weiter Richtung Lauenburg. Um 17.15 Uhr passieren wir Hitzacker beim Stromkilometer 524. Um 20.55 treffen wir in Lauenburg, Stromkilometer 573, ein. Wir lagern direkt an der Schleuse. Auf dem Motorboot, Dieter nennt es Motorquaze, klönen wir mit Herrn Ramba und Frau Zamba. Auf der Elbe sind wir ca. 150 Kilometer im Schlepp gezogen worden.
Montag, 9. Juli 1984, Lauenburg 06.00 früh. Wir fahren in diese Schleuse zum „ “ ein, jetzt sind wir nur noch 5 „Anhänger“. Ein Sportboot ist auf der Elbe geblieben, es will direkt nach Hamburg weiter mit eigener Motorkraft.
In die Schleuse passen 2 Schlepper und vier Sportboote hinein, wir als 5. Sportboot müssen hinten quer liegen. Mit uns allen geht dann 4,50 m hinauf. 06.45 Uhr Schleusung beendet. Wieder dann alte Ritual, langsam aus der Schleuse mit eigener Motorkraft, nach und nach anhängen, die „Heimatland“ nimmt wieder Fahrt auf.
07.57 Uhr: Schleuse Witzeeze, ab 2 Meter
Der Elbe-Lübeck-Kanal hat eine Länge von 62 Kilometern. Die Schleusenzeiten sind aufeinander in Anpassung der vorgeschriebenen Geschwindigkeiten und der Entfernungen von Schleuse zu Schleuse abgestimmt, so dass es möglich ist die Strecke von der Elbe bis nach Lübeck an einem Tag zu schaffen.
11.15 Uhr: Schleuse Donnerschleuse, wir werden um 6 m !! abgeschleust. Die Donnerschleuse, seit 1898, befindet sich in Neu-Lankau, die nach dem Prinzip des Lübecker Ingenieurs und Wasserbauinspektors Ludwig Hotopp ausschließlich mit Wasserkraft und damit erzeugter Über- und Unterdruckluft betrieben wird.
12.15 Uhr: Schleuse Behlendorf, ab 2 Meter
12.50 Uhr: Schleuse Berkenthin, ab 1 m
14.10 Uhr: Schleuse Krummessee, ab 2,20 m
15.10 Uhr: Schleuse Büssau, ab 2 m; Büssau ist bereits ein Ortsteil von Lübeck, die Stadt kommt in Sicht, die Türme vom Holstentor sind zu sehen. Bis zu Charly in Travemünde sind es noch ca. 20 km.
17.10 Uhr: Montag, 9. Juli 1984. Wir legen bei Charly (Segel-Club-Travemünde) in Travemünde an.
Dieter und ich lassen unser Segelboot allein, wir fahren nach Berlin mit der Bahn. Wir beschließen zusammen mit Harald das Boot am 21.7.1984 Segelklar zu machen, den Mast zu stellen, noch notwendige Ausrüstung zu beschaffen und unseren Weg nach Stettin über Rönne am 22. Juli 1984 fortzusetzen.
22. Juli 1984, 17.30,
nach der Verzollung brechen wir auf. Vorbei an der Ansteuerungstonne Trave (18.52 Uhr), über den „Lübeck-Gesdser-Weg“ und über die „Kadett-Bank“ bis Rönne. Dort legen wir im Südhafen am 24. Juli 1984 um 10.00 Uhr an.
Von Travemünde bis hierher sind wir 182 sm gesegelt.
Nach zwei sehr schönen Ruhetagen auf Bornholm beschließen, abgehend von Rönne, nach Swinoujscie auszulaufen. Für die etwa 75 sm lange Strecke müssen wir vorsorglich 15 – 19 Stunden Fahrt einkalkulieren. Wir wollen in Polen nicht an einem späten Abend eintreffen, uns ist es lieber die Zeit so zu planen, dass wir an einem Vormittag ankommen können. Damit sind wir gezwungen am Nachmittag Bornholm zu verlassen und in einem „Nachtritt“ nach Polen zu gehen.
Donnerstag, 26. Juli 1984, 18.00 Uhr wir legen ab. Wir, das sind unverändert
- Harald Grabsdorf
- Dieter Heine
- und Eckehard Leuschner
Wir müssen auf See mit Windstärken 5 bis 6 rechnen, zu erwarten ist, dass er weiterhin aus N – NE wehen wird, wie den ganzen Tag schon. Das würde für uns bedeuten mit einem Schlag direkt bis nach Swinemünde zu kommen, müssen jedoch starke Welle erwarten.
Mit einem Reff und unserer kleinen Fock verlassen wir Rönne rwk 198°. Er draußen merken wir wie hoch die Welle tatsächlich steht. Das Schiff wird hin- und her gerüttelt, es vibriert, läuft schwer im Ruder und bringt Nervosität in die Crew. Deshalb bergen wir gleich nach dem Auslaufen das Groß-Segel und laufen nun, nur mit der Wendefock mit beinahe achterlichen Wind viel, viel ruhiger als bisher. Wenn die Windrichtung in den nächsten Stunden so bleibt können wir so direkt bis nach Swinemünde kommen.
Wir hatten uns ein eigenes Wachsystem für die Überfahrt nach Polen erkoren. Einer wird Wache haben, Vollwache, wie wir es nannten, einer nur Halbwache und der Dritte hat frei. Nach einem dreistündigen Rhythmus wird abgelöst. Einen „Wach-Fahrplan“ hängten wir als Aushang an die Toilettentür.
Mit Hilfe der „vierten Hand“, dem Autohelm, ist es dem Wachgänger möglich sich frei im Schiff zu bewegen, sich während der Wache einen Kaffee zu kochen, die Navigation anhand der Karte durchzuführen und andere anfallende Arbeiten zu erledigen. Der Wachgänger muss nicht ständig „am Rohr“ stehen, er braucht ab und zu den Autohelm und den Kurs zu kontrollieren. Die „Halbwache“ muss jederzeit bereit sein einzugreifen.
Nach etwa 20 Minuten können wir hinter uns rückblickend Bornholm nicht mehr sehen, dunkle Wolken sind aufgezogen. Harald als Wachgänger hat keine Sicht mehr nach achtern. Ich habe „Halbwache“, Dieter ist schlafen gegangen. Nach einer weiteren halben oder ganzen Stunde hat Harald wieder klaren „Rückblick“, deutlich hinter uns ist Bornholm mit der Silhouette von Rönne zu sehen.
Wir fahren unverändert nur mit der Wendefock, haben dennoch eine Geschwindigkeit von 4,5 kn.
Wir wissen, im Laufe der Nacht werden wir über zwei große Sandbänke segeln, über den „Adler Grund“ und über die „Oder Bank“. Bei diesen beiden Bänken wird die Wassertiefe nur etwa 12 bzw. 8 Meter sein. Normalerweise beträgt die Tiefe auf unserer Strecke etwa 24 Meter. Wir lassen unser Echolot ständig mitlaufen, so können wir jederzeit ablesen, wenn sich die „normale“ Wassertiefe verändert.
Etwa um 21.00 Uhr, ich habe gerade die Wache übernommen, kommen wir zum „Adler Grund“, es ist längst dunkel, dennoch klarer Sternenhimmel. Das Log zeigt unverändert die Geschwindigkeit mit 4 bis 5 kn an. Unsere Bordbeleuchtung ist eingeschaltet, im Schiff wird immer wieder Strom benötigt, wir müssen deshalb ständig den Batterie-Stand kontrollieren (ich habe nur eine Batterie an Bord). Bisher sind wir etwa 3 Stunden gesegelt und haben knapp 15 sm geschafft. Die See beruhigt etwas, dennoch müssen wir uns in der Kajüte noch immer festhalten.
Als Dieter um 24.00 Uhr die Wache übernimmt verlassen wir den „Adler Grund“, das Echolot zeigt langsam wieder „normale“ Tiefen an. Da die Batterie absinkt wirft Dieter den Motor an, der läuft zum Füllen der Batterie im Leerlauf für eine halbe Stunde mit, die Batterie hat dann wieder den vollen Ladezustand erreicht.
Vor uns, in weiter Ferne sehen wir eine Armada von Lichtern, zunächst können wir es nicht deuten, auch mit dem Fernglas erhalten wir keine Klarheit. Wir benötigen noch beinahe eine Stunde, bis wir erkennen, dass es sich um eine Vielzahl von Fischerbooten handelt. Den Autopiloten schalten wir aus, wir fahren mit „der hand am Rohr“ durch die fischende Armada, stets auf der vorgeschriebenen Seite, im großen Abstand. Wir sind im internationalen Gewässer, die Nationalität der Fischer können wir nicht ausmachen, nachts wird keine Landesflagge gefahren.
Wir sehen hinter der Kimm den Schein eines Feuers, wir sind noch viel zu weit weg, eine Kennung ist in diesem Zeitpunkt nicht auszumachen. Das Licht wirkt wie ein Scheinwerfer, der in unregelmäßigen Abständen über den Himmel läuft. Dennoch wissen wir, es ist der 39 m hohe Leuchtturm der „Greifswalder Oie“.
Freitag, 03.00 Uhr. Ich habe Freiwache und lege mich schlafen. Harald ist wieder „dran“. Später lese ich im Logbuch: Kurz nach dem Wachwechsel wandelt sich der Schein, das Feuer wird erkennbar und die Kennung festgestellt. Durch „Feuer in der Kimm“ ist eine genaue Abstandsmessung zum Leuchtturm möglich. Es ergibt 16,1 sm Es stimmt genau überein mit unseren Eintragungen auf der Seekarte und mit unserem Log.
Seit Rönne sind wir nun 43 sm gefahren, die Wassertiefe sinkt, wir haben die „Oder Bank“ erreicht. Nach weiteren 40 Minuten Eintragung im Logbuch: 04.20 Uhr Das Wasser wird tiefer, wir haben die „Oder Bank“ übersegelt.
06.00 Uhr. Drei Stunden Wache in der Nacht vergehen langsam, sind anstrengend und nur mit Mühe zu überstehen. Aber drei Stunden Schlaf in der Nacht sind einfach zu wenig. Unbarmherzig ruft der Wachgänger zur Ablösung. Ich muss die Wache übernehmen. Das weit draußen liegende Torfeuer Swinemünde haben wir bereits passiert. Während der ganzen Überfahrt gab es keine Positionsprobleme. Bereits vor einer Stunde hatten Dieter und Harald die Ansteuerungstonnen und die Grenztonne der DDR in großem Abstand erkennen können und den Kurs genau Süd zur einfahrt Swinemünde festegelegt. Wir wollten und mussten vermeiden, zu dicht an die DDR-Gebiete zu fahren. Aus diesem Grunde hatten beide, Dieter und Harald gemeinsame Wache gehalten.
Vor uns, wie exakt gezeichnet und errechnet, der Schifffahrtsweg nach Stettin, Steuerbord neben uns die Grenze zur DDR, wir fahren auf einem gut ausgetonnten Weg nach Polen. Von achtern läuft eine Fähre auf, wir erkennen bald die „Ystadt-Swinemünde-Linie“. Eine bessere Bestätigung der Navigation können wir nicht finden.
Ich hole die Details-Karten für die Einfahrt nach Swinemünde und das Hafenhandbuch hervor und studiere das Material. Der „Himmelsbesen“ läuft noch immer, wie am Abend vorher mit der Wendefock und dem Autopiloten. Die Erläuterungen im Hafenhandbuch lassen zu wünschen übrig. Ein sonst üblicher Hafenplan ist nicht vorhanden. Einfahrende Schiffe müssen, Zitat: „bei der Signalstelle, die sich auf der Galeriowa-Bake befindet, bei Dunkelheit den Schiffsnamen mit dem Scheinwerfer angeben.“ Nach der Seekarte befindet sich das Oberfeuer Galeriowa auf der Steuerbordseite, einfahrend. Dort aber ist nichts zu sehen.
Dieter hat seit 06.00 Uhr Freiwache und schläft. Jetzt ist es 07.45 Uhr. Wir laufen in Swinemünde ein. Wir Harald und ich beschließen gegen die üblichen Gepflogenheiten Dieter zu wecken. Wir sind doch alle, der „Himmelsbesen“, Harald, Dieter und ich zum ersten mal auf dem Wasserweg beim Eintritt hinter dem „Eisernen Vorhang“, bei der Einfahrt in einen Hafen des Ostblocks.
Nun laufen wir in die Swine, immer noch unter Segel. Drei Augenpaare suchen steuerbord die Abfertigungsstelle. Tonnen weisen uns darauf hin, dass wir gar nicht an die rechte Seite heranfahren können. Plötzlich ruft Harald: „Drüben links winkt einer energisch“. Wir sind gemeint. In aller Ruhe werfen wir den Motor an, bergen die Segel und bereiten alles zum Anlegen vor, drehen solange auf der Swine Kreise bis das Schiff aufgeklart ist. Dann legen wir an. Wir harren der Dinge, die auf uns zukommen werden.
Es ist 08.30, wir sind in Polen, nach 70 sm und 12,5 Stunden ab Rönne sind wir am Ziel.
Wie lange haben wir von Berlin gebraucht?
Überführung Berlin – Travemünde 58 Stunden, 152 sm
Travemünde – Swinemünde 40 Stunden, 190 sm
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98 Stunden, 342 sm
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(342 sm sind rd. 635 km)
der direkte Weg Berlin – Stettin wäre 180 km